Verzeihen in drei Schritten: Vergeben und vergessen

| Lesezeit:

4 Minuten

Wenn uns jemand tief verletzt hat, erscheint es als gerechte Strafe, ihm nicht zu verzeihen. Warum diese Taktik ungesund ist und wie man lernen kann, anderen zu vergeben.

Rachegefühle kennt (fast) jeder: Ein Mensch hat etwas getan, wofür du ihn hasst. Nun würdest du ihm am liebsten die Augen auskratzen oder ebensolches Leid zufügen, wie er dir zugefügt hat. Kein guter Plan. Viel besser ist es, etwas Zeit verstreichen zu lassen, um ruhiger zu werden – und dann gezielt reinen Tisch zu machen. Denn eine offene seelische Wunde schadet vor allem einem selbst: Sie hält davon ab, unbeschwert durchs Leben zu gehen, führt zu ständigen Grübeleien und verhindert einen Neuanfang.

Das Beste am Verzeihen: Du kannst es ganz alleine tun – auch, wenn du der betreffenden Person längst den Rücken zugekehrt hast. Das Ganze funktioniert rein mental!

Drei Schritte helfen dabei, seelischen Ballast ein für alle mal loszuwerden:

Schritt 1: Was gibt es zu verzeihen?

Im Laufe des Lebens erfährt jeder Mensch Zurückweisungen und Kränkungen. Einige sind schnell vergessen, manche werden verdrängt, andere schleppt man ewig mit sich herum. Bei frischen Verletzungen brauchst du natürlich nicht lange nachzudenken, um den Grund für deine Niedergeschlagenheit zu erfahren. Manchmal liegen die Ursachen dafür aber auch schon länger zurück und sind nicht mehr so offensichtlich. Setz dich deshalb in einer ruhigen Stunde mit Zettel und Stift hin und schreib auf, auf wen du wütend bist, an welche Verletzungen aus der Vergangenheit du dich erinnern kannst, wofür du dich am liebsten rächen würdest. Interessant, was dabei so alles ans Licht kommt! Streiche anschließend alle Situationen, über die du heute schmunzeln kannst oder die in dir keine negativen Emotionen mehr hervorrufen. Mit dem, was übrig bleibt, solltest du die folgenden Schritte (bei Bedarf auch mehrfach) durchgehen. Wetten, dass du dich danach besser fühlst?

Schritt 2: Wie könnte sich der andere gefühlt haben?

Angenommen, deine beste Freundin hat sich in deinen Ex-Freund verliebt. Klar, er ist nur dein Ex – trotzdem bist du tief gekränkt. Nicht auszumalen, wie die beiden jetzt über dich reden! Wie konnte deine Freundin dir das antun? Sobald der erste Schock verflogen ist, solltest du versuchen, dich in sie hinein zu versetzen. Das kann dabei helfen, ihr Verhalten wenigstens etwas nachzuvollziehen und Abstand zu gewinnen. Wichtig: Hier soll nichts gerechtfertigt werden – manchmal erkennt man aber in diesem Prozess aber den eigenen Anteil an der Geschichte und kann der anderen Person ein Stück weit verzeihen.

Schritt 3: Wie lasse ich los?

Dieser Schritt ist der Schwierigste. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine seelische Verletzung zu überwinden und Kummer und Wut fliegen zu lassen wie einen Luftballon. Probier aus, welche der vier Varianten dir am meisten bringt:

Variante A: Schreib dir den Frust von der Seele Verfass einen saftigen Brief an den Menschen, der dir weh getan hat. Denk nicht lange über Formulierungen nach – je echter und authentischer, desto besser. Anschließend verbrenn den Brief in einem feierlichen Ritual. Falls du dir mehr Körpereinsatz wünschst, zerreiß, zerknüll das Papier, trampel darauf herum, mach damit, was du willst. Wenn du ein richtiges Abschiedsritual bevorzugst, kannst du zum Beispiel auch ein Schiffchen daraus basteln und es in einem Fluss davontreiben lassen…

Variante B: Such dir ein Verzeih-Mantra Manchmal hilft es, einen bestimmten Satz so lange vor dir hin zu sagen (ob in Gedanken oder laut bleibt dabei dir überlassen), bis er tatsächlich Realität wird. Im obigen Fall könnte dein Mantra etwa lauten: „Ich lasse nicht zu, dass mich das Verhalten anderer verletzt, deshalb verzeihe ich meiner Freundin, was sie getan hat.“

Variante C: Mach eine Traumreise Viele Menschen finden ihren inneren Frieden nicht, weil sie große Angst vor einer Begegnung mit dem Menschen haben, der sie verletzt hat. Mentales Training kann helfen, diese Angst zu verlieren: Träum dich an einen Ort, an dem du die Person gern treffen würdest, mal dir aus, was du sagen würdest und, ganz wichtig: Verzeih ihr am Ende des Dialogs.

Variante D: Schrei ein Foto an Nimm ein Bild des Menschen zur Hand, der dir weh getan hat. Brüll es an, sag ihm so richtig die Meinung, lass deine ganze Wut raus. Sobald die größten Aggressionen verflogen sind, verzeih dem Menschen auf dem Foto – und zwar mit laut und deutlich ausgesprochenen Worten: „Ich verzeihe dir.“


Über unsere Autorin:


Mehr von fem.