Kollegen-Liebe: Achtung, Büro-Romanze!

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Wenn Kollegen miteinander anbandeln, dann ist das nie folgenlos. Der Psychologe Albert J. Bernstein über den Büro-Balztanz und woran man ihn rechtzeitig erkennt.

Kollegen im Büro flirten.

Wenn Kollegen miteinander anbandeln, dann ist das nie folgenlos. Der Psychologe Albert J. Bernstein über den Büro-Balztanz und woran man ihn rechtzeitig erkennt. 

In seinem Buch „Bin ich denn der einzige Normale hier“ (Redline, 19,90 Euro, bestellbar z.B. über www.amazon.de) präsentiert der Psychologe Albert J. Bernstein 101 Lösungen, wie man mit vertrackten Situationen im Büro klar kommt.

fem.com präsentiert zehn dieser Lösungen.

Eine Affäre zwischen Kollegen

Das Szenario

Nicht in deinen wildesten Träumen hast du eine Affäre beabsichtigt. Irgendwie hat eins zum anderen geführt, und es ist einfach passiert. Es begann mit einer Umarmung nach einer besonders stressigen Woche; daraus wurde ein Kuss, und von da an ging es weiter.

Da ihr beide in einer festen Beziehung steckt, müsst ihr jetzt ein paar schwierige Fragen beantworten. Und dann ist da noch die große Frage, welche Auswirkungen es auf die Arbeitssituation im Büro haben wird. Vielleicht muss einer von euch beiden gehen. Normalerweise bist du ein so vernünftiger Mensch. Wie bist du nur in etwas Derartiges hineingeraten?

Eine Büroromanze kann eine wunderbare, schöne Sache sein – oder sie kann deine Karriere und dein Leben zerstören. Es ist erstaunlich, dass etwas so Bedeutsames fast immer versehentlich passiert. Die beteiligten Personen legen es nur selten auf Affären an; sie passieren einfach, oder jedenfalls fühlt es sich so an. Wie es sich anfühlt, ist nicht unbedingt, wie es ist.

Das Balzverhalten der Menschen folgt, wie bei den meisten anderen Spezies, vorhersagbaren und leicht erkennbaren Mustern. Es ist ein in unsere Gehirne eingebrannter Tanz. Bewusste Gedanken sind nicht nötig; ein Schritt führt zum nächsten. Die meisten Jugendlichen in der Mittelstufe kennen diese Tanzschritte bereits. Die Menschen in den Büros mögen denselben Tanz aufführen, denken aber irgendwie, dass es nur eine „bedeutsame Geschäftsbeziehung“ ist und nicht das Geringste mit Sex oder dergleichen zu tun hat. Bis es zu spät ist.

Die Lösung

Ich habe das Gefühl, dass ich dich warnen sollte, bevor ich fortfahre. Kein anderes Thema, über das ich geschrieben oder gesprochen habe, hat so viel negative Resonanz hervorgerufen, wie das, was du jetzt lesen wirst. Die Leute werden wütend auf mich, wenn ich darauf hinweise, dass die harmlosen Freundschaften, die ihnen so viel bedeuten, im Kern sexueller Natur sind.

Ihr müsst dann eine schwierige Entscheidung treffen: Da ihr euch nun des Wesens der Beziehung bewusst seid, beendet diese oder führt sie fort oder tut so, als ob ich nicht wüsste, wovon ich spreche. Die meisten entscheiden sich für Nummer drei, oft mit beachtlicher Feindseligkeit.

Es folgen nun die Schritte des Büro-Balztanzes. Lies weiter, wenn du sicher bist, dass du dich beherrschen kannst.


Wahrnehmung. Das Verhaltensmuster beginnt damit, die andere Person als etwas Anderes oder Besonderes zu betrachten. Es muss nicht unbedingt sexuelle Anziehung sein, aber eine Anziehung ist da.

Sichtbarmachung. Du bemerkst die andere Person und möchtest nun von ihr bemerkt werden. Vögel tun das mit bunten Federn und lustigen Tänzen. Im Büro geschieht es eher in Form einfühlsamer Fragen, geistreicher Bemerkungen, sorgfältig zusammengestellter Garderobe oder neuer Kleidung, die betont, dass es jemandem endlich gelungen ist, sich die überschüssigen fünf Pfund herunterzuschwitzen.

„Zufällige“ Begegnungen. Es tauchen Gründe auf, an Orten zu erscheinen, wo sich eine bestimmte Person befindet – so wie das plötzliche Auftreten eines alles übersteigenden Interesses an einem Teil des Unternehmens, der bislang nicht besonders wichtig war. (Sie erklärt Marketing einfach so gut.)

Geplante Treffen, Anrufe und Textnachrichten. Auf einmal erfordert die Arbeit eine enge Arbeitsbeziehung. Zunächst werden gemeinsame Projekte im Büro besprochen; später übers Handy, in Restaurants oder bei einem Spaziergang in der Mittagspause an einem wunderschönen Frühlingstag. In diesem Stadium schweift die Unterhaltung von der Arbeit zu persönlicheren Themen ab. Für die meisten Menschen ist an diesem Punkt das Verständnis und die Tatsache, dass ihnen jemand zuhört, weit verführerischer als reiner Sex.

Neckerei. Jungs in der vierten Klasse jagen und hauen die Mädchen, die ihnen gefallen. Erwachsene im Büro signalisieren mit Frotzelei, Scherzen und gespielter Aggression ihr Interesse. Es ist, als ob auf einmal Katharine Hepburn und Spencer Tracy in der Buchhaltung auftauchen. Dieses Stadium ist gefährlich, wenn die Aufmerksamkeit unerwünscht ist. Retourkutschen, Lachen über Witze und alles außer Wegrennen und Schreien wird als Zeichen gegenseitigen Interesses gedeutet. Die Grenze zwischen Höflichkeit und Ermutigung ist so dünn, dass es möglicherweise einer Jury bedarf, um zu bestimmen, ob sie überhaupt existiert.

Wenn du mit unerwünschter humoriger Aufmerksamkeit überschüttet werden, besprich das unverzüglich mit einem Vorgesetzten. Die fehlende Einsicht in das Wesen dieses Stadiums ist die Ursache vieler Beschwerden über sexuelle Belästigung.

Geschenke. In der Tierwelt ist es ein frisch erlegtes Eichhörnchen. Im Büro ist es eine witzige Grußkarte, eine Haftnotiz mit besten Glückwünschen für den Tag der großen Präsentation oder irgendetwas aus dem Geschäft im Erdgeschoss mit den Ballons, Bären und anderem Nippes.

Berührung. Nackenmassage gefällig? Jetzt ist es soweit, dass die Sache offen sexuell wird. Wenn du das nicht glaubst, frag dich, was du davon halten würdest, wenn jemand deinem Ehepartner den Nacken massiert.

Vertrauen. In diesem Stadium fangen die Leute an zu glauben, dass sie sich gegenseitig alles erzählen können und tun das auch. Die bei Weitem häufigste Form, in der sich unbeabsichtigter Sexualkontakt anbahnt, ist eine innige Umarmung, um jemanden zu trösten, der eine schwierige Zeit durchmacht.

Dies sind die Schritte – halte davon, was du willst. Ich befürchte, dass dieses Szenario bei einigen Leuten das Gefühl auslösen wird, dass ich etwas Schönes und Reines durch den Schmutz gezogen habe.

Ich weiß, dass es Momente gibt, in denen alle die Interaktionen, über die ich hier geschrieben habe, vorkommen können und nichts bedeuten. Ich weiß auch, dass es Büroromanzen gibt, die wunderbar funktionieren.

Ich versichere dir, dass ich die Liebe nicht im Geringsten zynisch betrachte. Ich glaube lediglich, dass sie viel zu wichtig ist, um sie mit Autopilot anzusteuern.

Albert J. Bernstein, PhD, ist selbstständiger Psychologe, Bestsellerautor und Experte im Bereich der Konfliktlösung.

Mehr Infos: www.redline-verlag.de


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